Ungewohnte Leere

Wo normalerweise täglich an die 120 kleine Füße durch Räume und Gänge trappeln, herrscht seit einem Monat ungewöhnliche Stille. Kindergarten und Hort der Don Bosco Schwestern in Stams würden zwar für den Notbetrieb öffnen, zur Zeit ist noch kein Bedarf dafür. Die rund 60 Kinder, die normalerweise die Räumlichkeiten mit Leben füllen, sind zu Hause.
"Alles wird gut!"
Für die Pädagoginnen im Kindergarten hat sich der Arbeitsalltag stark verändert. Elisabeth Prantner hat ihre Kolleginnen ermuntert, ihre Sicht der Dinge niederzuschreiben und sich die Frage zu stellen, wie die Ordensgründer Don Bosco und Maria Mazzarello die Situation gehandhabt hätten – Krisenerfahrung hätten sie mitgebracht, denn beide haben die Cholera- und Typhusepidemien im 19. Jahrhundert in Italien miterlebten. "Don Bosco könnte auch heute die Kinder nicht nach Hause schicken, denn das Oratorium ist ihr zu Hause. Sicherlich hätte er seinen Kindern täglich das Gefühl gegeben 'Habt Mut, alles wird gut!'", so Elisabeth.
Selbstverständliches wird wieder wichtig
Mitarbeiterin Christine arbeitet Liegengebliebenes endlich auf, einiges hätte sich angesammelt. "Aber wirklich Freude daran hat man nicht. Je länger unsere Quarantäne und aufgezwungene Stille andauert, umso mehr sehnt man sich nach Kinderlachen, Kindergartenalltag, nach den Kolleginnen ... all das führt mir vor Augen, wie wertvoll und schön unsere Arbeit mit den Kindern ist." Ähnlich sehen es ihre Kolleginnen Lena und Verena, die in der Quarantäne die Chance sehen, Selbstverständliches wieder schätzen zu lernen. „Ich bin kein lauter Mensch“, meint Verena, „ich mag die Stille.“ Doch diesmal ist es eine unvorhergesehene, anders als die in den Ferien, auf die man sich einstellt und freut. Für Lena bringt die nahe Zukunft einige Ungewissheiten: Welche Folgen wird das Virus auf ihren zukünftigen Arbeitsalltag haben? Wie hoch ist das Ansteckungsrisiko? Wird sie mit Mundschutz und Handschuhen arbeiten müssen? „All diese Fragen kommen, doch wenn ich ehrlich bin, dann sind sie um ein Vielfaches kleiner als die Freude die mich erwartet, wenn ich alle Kinder wiedersehe, mit ihnen lachen, singen, spielen und sie hoffentlich auch in den Arm nehmen kann.“
Weiterhin Kontakt zu den Kindern
„Jeden Mittwoch schicken wir über WhatsApp entweder ein Gedicht, ein Lied oder eine Bastelidee an die Kinder, am Freitag ein Märchenvideo, das die Pädagoginnen zu Hause erstellen“, berichtet Sr. Regina Maier, Pädagogin und Gemeinschaftsleiterin in Stams. Und zwei große Regenbögen - mittlerweile weltweit ein Zeichen gegen die Corona-Krise - zieren die großen Fenster des Kindergartens zur Straßenseite.

Kein Ruf nach der "Schweschter"
Sr. Sylvia Steiger leitet den Hort im selben Haus. Anfangs war für sie plötzlich viel Stress weg. Auch sie hält Kontakt zu den Eltern: "Wenn ich mit ihnen telefoniere und mich erkundige, wie es so geht zu Hause, merke ich schon, wie sehr mir die Kinder fehlen. Ich höre kein lautstarkes 'Schweschter!', das durch den Hort schallt, weil ein Kind mich braucht." Die Ruhe und geschenkte Zeit nutzt Sr. Sylvia für innere Aktivitäten, fürs Gebet und Meditation. Ganz nach dem Motto: Wenn du nicht raus kannst, dann geh nach Innen!

"Merkwürdig still" im Hort in Hall
"Die Freude und Lebendigkeit der Kinder fehlt. Es fühlt sich nicht richtig an", schreibt Hortleiterin Martina Kerbl. Für sie und ihre Kolleginnen stellt sich zur Zeit vor allem die Frage nach dem Wohl der Kinder: "Es ist für viele bestimmt belastend, nur zu Hause zu sein. Für viele Eltern ist diese Zeit mit existenziellen und gesundheitlichen Ängsten verbunden und auch der Schulalltag ist für alle nicht leicht. Viele Kinder werden zu kurz kommen", schreibt Hortpädagogin Elvisa. Was würde Don Bosco sagen? "Ich denke, Don Bosco wäre traurig über die leeren Räume und darüber zu wissen, dass wir derzeit so wenig für die Kinder tun können, obwohl uns viele brauchen würden."

Auch gute Seiten der Krise sehen
Simon Stedile, Hortleiter von Mils, glaubt, Don Bosco hätte auch die guten Seiten dieser Krise begrüßt: "Wie zum Beispiel, dass Eltern gerade mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich mehr mit ihnen auseinandersetzen". Auch hätte die Krise positive Auswirkungen auf die Umwelt und auf unsere teils sehr kapitalistische Denkweise. "So könnten wir wieder zufriedener und aufmerksamer für die wirklich wichtigen Dinge werden", schreibt Simon.
